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Nuklearforum Schweiz
Medien

Zurück zur grünen Wiese

Was mit einem Kernkraftwerk am Ende seiner Laufzeit passiert

Wenn ein Kernkraftwerk nach Jahrzehnten des Betriebs stillgelegt wird, endet eine Ära – doch zugleich beginnt ein neues Kapitel: der Rückbau. Doch was genau passiert, wenn die Maschinen stillstehen und die Lichter ausgehen?

Der Rückbau eines Kernkraftwerks gleicht einer präzisen Choreografie, bei der Ingenieure, Wissenschaftler und Sicherheitsfachleute Hand in Hand arbeiten. Schicht für Schicht wird das Bauwerk zurückgebaut – nicht nur, um Platz für Neues zu schaffen, sondern vor allem, um die Umgebung nachhaltig zu schützen. Es ist eine anspruchsvolle Aufgabe, die Technik, Sicherheit, Gesetze und Wirtschaftlichkeit vereint.

In der Schweiz und weltweit haben Rückbauprojekte bereits wertvolle Erfahrungen geliefert. Jedes abgeschlossene Rückbauprojekt erzählt eine Geschichte von Herausforderungen und Innovationen, die uns zeigen, wie Zukunft gestaltet werden kann – verantwortungsvoll und sicher.

Der Rückbau des Kernkraftwerks Mühleberg

Das Kernkraftwerk Mühleberg (KKM) war das erste kommerzielle Kernkraftwerk der Schweiz, das im Dezember 2019 nach fast 50 Jahren Betrieb endgültig abgeschaltet wurde. Der Rückbau begann nur zwei Wochen nach der Abschaltung. Ein zentraler Meilenstein im Projekt war die sogenannte «Kernbrennstofffreiheit», die bis 2024 erreicht wurde. Dabei wurde das radioaktive Material schrittweise entfernt, um die Anlage für die nächste Phase vorzubereiten.

Ein zentrales Element ist der internationale Austausch von Wissen. So standen Experten aus Japan und Spanien in engem Austausch mit den Rückbauverantwortlichen des KKM, um Erfahrungen zu teilen und voneinander zu lernen. Diese Zusammenarbeit fördert die Effizienz und Sicherheit der Rückbauprojekte.

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Im NucTalk, dem Podcast des Nuklearforums, erzählt Patrick Miazza über seine Zeit im umstrittensten Schweizer KKW und über dessen Rückbau. Der promovierte Physiker war rund zehn Jahre Leiter des Kernkraftwerks Mühleberg und unterstützt heute die BKW als Consultant.



Internationale Rückbauprojekte

Zusammenarbeit und Wissensaustausch



Weltweit werden zahlreiche Rückbauprojekte durchgeführt, die wertvolle Einblicke und Erfahrungen liefern.

Besonders wichtig dabei ist die internationale Zusammenarbeit, die zur kontinuierlichen Verbesserung der Effizienz und Sicherheit beiträgt. Länder wie Deutschland, Spanien, Japan und die Schweiz tauschen regelmässig ihr Wissen aus, um voneinander zu lernen. Auch die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) unterstützt diesen Austausch durch Leitlinien und Schulungen.

Vom Kraftwerk keine Spur (mehr)

Der Rückbau eines Kernkraftwerks in der Schweiz ist ein mehrstufiger Prozess, der sich über Jahrzehnte erstreckt. Ziel ist es, das Areal vollständig von radioaktivem Material zu befreien und für eine neue Nutzung bereitzustellen. Der Weg dorthin gliedert sich in folgende Phasen:

Abschaltung und Stilllegung

Der Prozess beginnt mit der endgültigen Abschaltung des Kraftwerks. Während der letzten Jahre des Betriebs wird die Stilllegung intensiv geplant, um einen reibungslosen Übergang in die nächste Phase zu gewährleisten. Nach der Abschaltung werden die Brennelemente aus dem Reaktor entfernt und in ein gekühltes Lagerbecken überführt, wo sie mehrere Jahre abklingen.

Beginn des Rückbaus

Unmittelbar nach der Abschaltung startet der Rückbau. Zunächst werden im Maschinenhaus und anderen Anlagenbereichen nicht mehr benötigte Teile entfernt, um Platz für die Demontage und Behandlung des radioaktiv kontaminierten Materials zu schaffen. So kann auch die Entfernung von stark radioaktiven Komponenten unter streng kontrollierten Bedingungen beginnen.

Nuklearer Rückbau

Während des nuklearen Rückbaus werden alle Teile, die mit Radioaktivität in Kontakt gekommen sind, sorgfältig demontiert, dekontaminiert und entsorgt. Dies umfasst den Reaktordruckbehälter, Sicherheitsbehälter und andere zentrale Komponenten. Die radioaktiven Abfälle werden in das zentrale Zwischenlager (Zwilag) transportiert. Parallel wird das Areal systematisch auf Radioaktivität überprüft, um sicherzustellen, dass alle belasteten Materialien entfernt sind.

Freigabe des Areals

Nachdem sämtliche radioaktiven Materialien entfernt wurden, erfolgt die abschliessende Überprüfung durch die Behörden. Ist das Gelände frei von radiologischen Gefahrenquellen, wird es offiziell freigegeben. Dies markiert das Ende des nuklearen Rückbaus.

Nachnutzung

In der letzten Phase werden die verbleibenden Gebäude abgerissen, sofern sie nicht für zukünftige Zwecke benötigt werden. Der dabei anfallende Bauschutt wird recycelt oder ordnungsgemäss entsorgt. Abhängig von den Plänen für die zukünftige Nutzung – ob industrielle Entwicklung oder eine naturnahe Gestaltung – wird das Areal schließlich für neue Projekte vorbereitet.

Mit einem Fokus auf Sicherheit, Umweltverträglichkeit und einer nachhaltigen Nutzung des Areals wird sichergestellt, dass das Erbe der Kernkraft verantwortungsvoll bewältigt wird.

Wer entscheidet über die Abschaltung?

In der Schweiz liegt die Entscheidung, ein Kernkraftwerk stillzulegen, grundsätzlich beim Betreiber der Anlage. Diese Entscheidung ist jedoch eng in einen strengen rechtlichen und regulatorischen Rahmen eingebettet, der durch das Schweizer Kernenergiegesetz (KEG) und die Stilllegungs- und Entsorgungsfonds (Stenfo) unterstützt wird. Der gesamte Prozess wird von der Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorat (Ensi) überwacht, um maximale Sicherheit zu gewährleisten.

Das Kernenergiegesetz (KEG)

Das Kernenergiegesetz bildet die rechtliche Grundlage für den Betrieb und die Stilllegung von Kernkraftwerken in der Schweiz. Es regelt unter anderem die Bedingungen, unter denen ein Kernkraftwerk stillgelegt und rückgebaut werden muss. Ein wesentlicher Aspekt des Gesetzes ist die Gewährleistung der langfristigen Sicherheit während des Rückbaus, sowie die klare Verantwortung der Betreiber für die Entsorgung der radioaktiven Abfälle.

Weiter verlangt das Gesetz, dass Betreiber bereits während der Betriebsphase eines Kernkraftwerks finanzielle Rücklagen für den späteren Rückbau und die Entsorgung radioaktiver Abfälle schaffen. Diese Rücklagen (Stenfo) müssen ausreichend sein, um die vollständigen Rückbaukosten zu decken. Der Rückbauprozess selbst muss vom Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorat (Ensi) überwacht werden, das sicherstellt, dass alle Arbeiten im Einklang mit den geltenden Sicherheitsvorschriften durchgeführt werden.

Die Stilllegungs- und Entsorgungsfonds (Stenfo)

Der Stilllegungsfonds wurde in der Schweiz speziell eingerichtet, um die Finanzierung der Stilllegung von Kernkraftwerken sicherzustellen. Er wird von den Betreibern der Anlagen gespeist und muss gewährleisten, dass ausreichend Mittel für den Rückbau zur Verfügung stehen, sobald ein Kraftwerk stillgelegt wird. Parallel dazu gibt es den Entsorgungsfonds, der für die Finanzierung der Entsorgung radioaktiver Abfälle verantwortlich ist.

Beide Fonds sind gesetzlich vorgeschrieben und werden von der unabhängigen Verwaltungskommission der Stilllegungs- und Entsorgungsfonds verwaltet. Diese Behörde überwacht die korrekte Bereitstellung und Verwaltung der Mittel. Der Stenfo-Mechanismus ist eine präventive Massnahme, die sicherstellt, dass der Rückbau nicht an finanziellen Engpässen scheitert und dass zukünftige Generationen nicht mit den Kosten belastet werden.

Finanzielle Sicherheit und regulatorische Überwachung

Die Kombination aus dem Kernenergiegesetz und dem Stenfo-System gewährleistet, dass die Rückbauprojekte in der Schweiz finanziell abgesichert und strengen Kontrollen unterworfen sind. Diese Vorgehensweise minimiert Risiken und stellt sicher, dass die Arbeiten am Rückbau von Anlagen wie dem KKM planmässig und sicher durchgeführt werden können. Der Prozess wird von der Ensi kontinuierlich überwacht, um sicherzustellen, dass alle sicherheitsrelevanten und umwelttechnischen Vorschriften eingehalten werden.



Die grünen Wiese

Der Rückbau eines Kernkraftwerks ist der sorgfältige Abschluss eines erfolgreichen Kapitels in der Energieversorgung. Mit Präzision, Verantwortung und Weitblick wird sichergestellt, dass das Areal sicher und nachhaltig für die Zukunft vorbereitet wird. So zeigt sich: Auch das Ende eines Kraftwerks ist Teil einer nachhaltigen Energienutzung – und ein Schritt hin zu neuen Möglichkeiten.